Neurocoaching
Neurocoaching – was ist das eigentlich? In Deutschland bringt man diesen Begriff am ehesten mit der Sprinterin Gina Lückenkemper, das ist die, die an der Batterie leckt, in Verbindung. Oder dem Sportwissenschaftler Lars Lienhard der unter anderem mit Gina Lückenkemper trainiert aber auch die Deutsche Nationalmannschaft 2014 nach Brasilien begleitet hat.
Doch zurück zum Neurocoaching und was man darunter versteht.
Als erstes müssen wir uns eines bewusst machen: Unser zentrales Nervensystem (ZNS) kontrolliert alles. Auch Bewegung. Im Neuroathletiktraining nutzt man die Arbeitsweise des ZNS und dessen grundlegenden neuronalen Gesetze um die Leistung des Athleten zu verbessern. Da diese Gesetze für jeden gleich sind, profitiert auch jeder davon. Egal ob Couchpotato, Hobbysportler oder Profisportler!
Anhand eines Beispiels sollen die Möglichkeiten des Neurocoachings deutlich werden.
Nehmen wir an wir sind 45 Jahre alt, männlich und tragen eine Brille. Wir haben jahrelang Fußball gespielt und uns in unserer Karriere mehrfach verletzt, das aus war dann ein Kreuzbandriss, nachdem das Knie nie wieder wie vorher war und immer wieder schmerzt. Unglücklicherweise hatten wir letzte Woche einen Autounfall, durch den wir eine Gehirnerschütterung erlitten haben und sich der Nacken total verspannt hat. Kurze Zusammenfassung: Unsere Visuelle-Wahrnehmung liegt bei 35% von 45%, unsere Gleichgewichts-Wahrnehmung liegt Aufgrund der Gehirnerschütterung bei 25% von 35% und die Propriozeptive-Wahrnehmung bei 15% von 20% wegen des Kreuzbandrisses, der nie ganz verarbeitet wurde. Insgesamt liegen wir also bei 75% von 100%.
Zwei Fragen und unsere Testperson sollen dabei helfen Neurocoaching verständlicher zu machen:
Wann wird vom Gehirn eine optimale Leistung zugelassen?
Wie kommt es zu einer optimalen Leistung?
Um diese Fragen zu beantworten widmen wir uns der Hauptfunktion des Gehirns, der fundamentalen Arbeitsweise des Nervensystems, sowie Bedingungen und Gesetzen, auf denen unser Gehirn und Nervensystem arbeiten.
Die Hauptfunktion des Gehirns ist es unser Überleben zu sichern. Dies macht das Gehirn, indem es permanent Vorhersagen trifft. Ist eine Situation nicht vorhersehbar, dann ist sie potentiell unsicher. Die Vorhersagen dienen dazu, um auf potentielle Gefahren immer eine passende Antwort zu haben. Bedrohungen sollen frühzeitig erkannt werden, damit entsprechende Handlungen oder Bewegungen eingeleitet werden können, um angemessen zu reagieren. Bewegung dient grundsätzlich dazu Gefahren aus dem Weg zu gehen und Bedrohungen wie Hunger oder Durst zu beseitigen.
Die Wahrnehmung unserer Testperson ist um 25% reduziert, dies wirkt sich unmittelbar auf die Vorhersagbarkeit aus. Dem Gehirn stehen weniger Informationen zur Verfügung und die Überlebenssicherung ist erschwert.
Hier lässt sich schon erahnen, dass sportliche Höchstleistung nicht die allerhöchste Priorität in unserem Nervensystem einnimmt. Selbst bei alltäglichen Bewegungen geht es unserem Nervensystem in erster Linie darum sicher zu sein. Für unser Training müssen wir deshalb immer berücksichtigen, dass unser Nervensystem nicht viel Gewicht bewegen möchte, sondern während der Bewegung sicher sein will.
Die Frage lautete, wann vom Gehirn eine optimale Leistung zugelassen wird. Eine optimale Leistung erreichen wir, wenn unser Gehirn die Situation optimal Vorhersagen bzw. einschätzen kann und sich dadurch sicher fühlt. Unsere Testperson ist nicht in der Lage Situationen optimal vorherzusagen, deshalb ist eine optimale Leistung nicht möglich. Im Training muss es daher das Ziel sein die Vorhersagbarkeit zu erhöhen. Wie das funktioniert wird im kommenden Abschnitt erläutert.
Um die zweite Frage „Wie kommt es zu einer optimalen Leistung?“ zu beantworten, betrachten wir die Arbeitsweise des Nervensystems. Grundsätzlich macht es nur drei Dinge: das Nervensystem empfängt Input, analysiert und interpretiert diesen und reagiert mit einem Output. Wir nehmen als Output Bewegung.
Input erhalten wir permanent über Sensoren/Rezeptoren, einmal aus der Umgebung und einmal von unserem Körper. Dieser Input gelangt über das Nervensystem zum Gehirn, dort werden die Informationen analysiert und auf Basis gespeicherter Muster interpretiert. Durch die Analyse und Interpretation des Inputs wird nun entschieden welche Bewegung ausgeführt wird. Häufig findet dieser Prozess unbewusst statt. Das Gehirn erstellt dann einen Bewegungsentwurf, der über das Nervensystem an die ausführenden Organe gesendet wird, in unserem Beispiel die Muskulatur. Unser Output kann zum Beispiel ein Sprung, ein Wurf oder auch eine Empfindung wie Schmerz sein. Unsere Testperson erhält weniger Informationen, da der Input über Augen, Gleichgewicht und Propriozeption (Körperwahrnehmung) eingeschränkt ist.
Im Training gilt unser Interesse häufig der Verbesserung des Outputs. Also höher springen, mehr Gewicht bei der Kniebeuge bewegen oder mit weniger Anstrengung oder ohne Schmerzen den dritten Stock erreichen. Um das zu erreichen dürfen wir die Entstehung des Outputs nicht vernachlässigen. Sprich, wir müssen auch den Input und die Integration verbessern. Dieser Ansatz, bei dem die neuronalen Prozesse in den Mittelpunkt rücken, wird als neurozentrieter Ansatz oder Neuroathletiktraining bezeichnet.
Beantworten wir nun Frage zwei: Wie kommt es zu einer optimalen Leistung? Optimale Leistung erreichen wir durch guten Input und eine gute Integration (Analyse und Interpretation) des erhaltenen Input. Im Training mit unserer Testperson müssen wir als erstes den Input verbessern. Dies können wir über die drei Säulen Sehen, Gleichgewicht und Propriozeption machen. Als Beispiel können wir Übungen für die Augen machen, um die Visuelle-Wahrnehmung zu schärfen und dadurch besseren Input zu kreieren. Dies wird sich unmittelbar auf den Output auswirken. Gute Übung für die Augen gleich besserer Output (weniger Schmerzen, größerer Bewegungsradius, etc.).
Hört sich vermutlich alles etwas theoretisch an. Wie sieht das ganze also in der Praxis aus?
In jeder Millisekunde empfängt unser Gehirn Daten aus Umgebung und Körper. Diese werden nach dem oben beschriebenen Prozess verarbeitet, dabei soll immer folgende Frage beantwortet werden: Wie gefährlich ist das, was ich hier jetzt gerade mache? Kommt das Gehirn nun auf Grund der erhaltenen, analysierten und interpretierten Daten zu dem Schluss: Die Situation ist schon gefährlich. Dann kommt es zu Schutzmaßnahmen.
Diese Schutzmaßnahmen können ganz unterschiedlich aussehen, zum Beispiel eingeschränkte Kraft oder Beweglichkeit, muskuläre Spannungen, Schmerzen, usw. Im Falle unserer Testperson sind die Schutzmaßnahmen leichte Schmerzen im Knie, da der Kreuzbandriss nie richtig rehabilitiert wurde. Nackenverspannungen durch den Autounfall, damit der Kopf weniger bewegt und geschont wird um weiteren Schaden zu verhindern. Und unsere Testperson fährt gar nicht oder nur sehr ungern bei Nacht mit dem Auto, weil er dann nicht gut sieht.
In der Praxis müssen diese Schutzmaßnahmen erkannt und dann durch Verbesserung des Input und der Integration aufgelöst werden.
Wie eine Situation bewertet wird hängt von vielen Faktoren ab. Zum einen haben wir die Input-Systeme (visuell, vestibulär, propriozeptiv) zum anderen unsere allgemeinen Lebensumstände (Stress, Schlaf, Arbeit, Beziehungen, Ernährung).
Man kann sich das ganze wie ein Fass vorstellen, wenn sich die Lage zu spitzt und viele kleine oder ein großes Defizit entsteht, läuft das Fass über. Soll heißen unser Körper gibt eine Antwort in Form von Output, das sind die oben genannten Schutzmaßnahmen.
Im Training konzentriert man sich auf die Systeme, die man beeinflussen kann, damit das Fass nicht überläuft. Auf das visuelle System, das uns Informationen über die Umgebung liefert, das vestibuläre System hilft bei der Orientierung im Raum und das propriozeptive System lässt uns unseren Körper wahrnehmen.
Unsere Testperson geht zum Neuroathletiktraining, zu Beginn wird getestet wo die Defizite liegen. Zur Erinnerung, Visuelle-Wahrnehmung liegt bei 35% von 45%, Gleichgewichts-Wahrnehmung liegt bei 25% von 35% und die Propriozeptive-Wahrnehmung bei 15% von 20%. Diese Zahlen sollen nur verdeutlichen das es im Rahmen der Input-Systeme eine Hierarchie gibt.
Um die Wahrnehmung, also unseren Input, zu verbessern trainieren wir Augen, Gleichgewicht und Propriozeption. So wird der Input nach und nach verbessert, die Schutzmaßnahmen werden aufgelöst und der Output, unsere Leistungsfähigkeit, steigt. Unsere Testperson wird mit Neuroathletiktraining in der Lage sein den Autounfall aufzuarbeiten, seine Knieproblem in den Griff zu bekommen und evtl. sogar auf eine Brille verzichten können. Sehen, Gleichgewicht und Propriozeption sind Fähigkeiten und diese Fähigkeiten können trainiert werden!
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Terminanfragen gerne per Email an Tobi.
Coach
Unser Neuro Athletik Experte ist Tobias Jacobsen. Sportwissenschaftler B.A. und einziger zertifizierter (Z-Health) Neuro Athletik Coach in Schleswig Holstein.
Quellen:
Schmid-Fetzer, Ulla; Lienhard, Lars (2018): Neuroathletiktraining. Grundlagen und Praxis des neurozentrierten Trainings, München.
Cobb, Eric (2015): Essentials of Elite Performance 2.0 Course Manual, Tempe.